Arbeitnehmer, die oft auf Geschäftsreise sind, können sich freuen. Denn jüngst entschied das Bundesarbeitsgericht: Dienstreisezeit ist Arbeitszeit. Das bedeutet, dass für alle Dienstreisende die gesamte Reisezeit vom Arbeitgeber vergütet werden muss. Geklagt hat ein Baufachmann aus Rheinland-Pfalz, der von seinem Chef auf eine Baustelle nach China geschickt wurde. Der Grund: Sein Chef wollte nur acht Stunden Arbeitszeit bezahlen. Die Reisezeit nach China wollte er ihm jedoch nicht vergüten. Das Bundesarbeitsgericht, das oberste deutsche Arbeitsgericht, gab schlussendlich dem Arbeitnehmer recht. Alles, was Sie über das Urteil und dessen Bedeutung für den Arbeitnehmer wissen müssen, erfahren Sie hier.
BAG entscheidet: Chef muss Reisezeit zahlen
Der Fall: Der Chef eines Bauunternehmens schickte seinen technischen Mitarbeiter nach China. Dort wurde er für Inspektions- und Montagearbeiten von August bis Oktober 2015 eingesetzt. Für Hin- und Rückreise brauchte der Angestellte insgesamt vier Tage. Denn anstatt einen Direktflug in der Economyklasse zu buchen, entschied er sich für einen Businessklasse-Flug mit Zwischenhalt in Dubai. Deswegen verzögerte sich der Flug auch um viele Stunden. Letzen Endes forderte der Mitarbeiter eine zusätzliche Vergütung von 37 Stunden – aufgrund der Reisezeit. Der Chef wollte ihm jedoch lediglich die regulären acht Stunden Arbeitszeit vergüten. Für die Reisezeit wollte er nicht aufkommen. Der Mitarbeiter zog deshalb vor Gericht.
Die Entscheidung: Die Bundesarbeitsrichter gaben dem Mitarbeiter recht. Begründet hatten die Erfurter Richter ihr Urteil damit, dass die Entsendung an einen fern gelegenen Arbeitsplatz "ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers" erfolgt. So heißt es in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:
Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und sind deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten.
Dass die Reisezeit vergütet werden muss, steht somit fest. Jedoch blieb eine Frage offen: Ist die lange Reisezeit von vier Tagen gerechtfertigt? Denn das würde voraussetzen, dass der Arbeitgeber auch für Umwege bezahlen müsste. Diese Frage wurde jedoch bei der Entscheidung nicht beantwortet und zurück an das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz gegeben. Wie dahingehend entschieden wird, bleibt abzuwarten.
Was bedeutet das Urteil für Arbeitnehmer?
Vor allem Arbeitnehmer, die viel auf Geschäftsreise sind, können von diesem Urteil profitieren. Denn die höchsten Arbeitsrichter Deutschlands legten grundsätzlich fest: „Wer reist, der arbeitet“. Vor allem geht es bei diesem Urteil um Fernreisen, die vom Arbeitgeber viel Zeit in Anspruch nehmen. Inwieweit aber Warte- und Übernachtungszeiten mit zur vergütungspflichtigen Reisezeit gehören, wurde noch nicht entschieden. Außerdem bleibt erst einmal die Frage offen, wie man mit den festgelegten Höchstarbeitszeiten umgehen soll. Schließlich kann man bei sehr langen Dienstreisen schnell mal an die Höchstarbeitszeiten stoßen. Gesetzlich vorgeschrieben sind bekanntlich zehn Stunden pro Tag und 48 Stunden pro Woche. Diesbezüglich werden sicherlich in Zukunft noch weitere Entscheidungen getroffen werden. Wegweisend wird aber auch hier das Urteil vom BAG sein.
Müssen jetzt auch Tagesreisen bezahlt werden?
Diese Frage stellt sich bei dieser Thematik zwangsläufig. Schließlich ging es im vorliegenden Fall um eine doch sehr lange Fernreise nach China. Aber können sich auch Arbeitnehmer über das Urteil freuen, die ständig im Inland unterwegs sind? Denn viele kennen es: Früh 6 Uhr geht es mit dem Flieger beispielsweise von Hamburg nach München. Abends kommt man um 22 Uhr erst nach Hause. Maximal darf man sich aber in der Regel nur 10 Stunden aufschreiben. Ändert sich das jetzt durch das BAG-Urteil? Bei der Antwort muss man zunächst vorsichtig sein. Denn die genauen Auswirkungen des Urteils sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollkommen abzusehen. Vereinzelte Experten sind sich jedoch sicher, dass sich das Urteil auch auf Dienstreisen im Inland ausweiten wird. Endgültige Entscheidungen müssen jetzt erst einmal abgewartet werden.
Grundsätzlich kann man jedoch Folgendes festhalten: Wer zur Arbeit pendelt, der arbeitet in der Regel nicht. Ein Jurist spricht in solchen Fällen von "Wegezeiten" zwischen privater Wohnung und Büro. Hier liegt es in der Verantwortung des Arbeitnehmers, sich die Zeit so einzuteilen, dass man pünktlich auf der Arbeit erscheint. Anders wird das gehandhabt, wenn ein Arbeitnehmer während der Kernarbeitszeit unterwegs ist – beispielsweise zu einem Termin mit einem Kunden oder Lieferanten muss. Denn dann muss der Arbeitnehmer vergütet werden – das ist gesetzlich so geregelt. Trotz der Arbeitszeitenregelung sehen sich Arbeitsgerichte immer wieder mit der Frage konfrontiert: Was gehört zur Arbeitszeit und was nicht?
Beispiel aus der Praxis: Fahrt zum Kunden nicht vergütungspflichtig
Erst jüngst entschied das BAG mit Urteil (5 AZR 424/17), dass die Fahrzeit zu einem Kunden nicht vergütet werden muss – dies also keine Arbeitszeit ist. Konkret geht es um die Fahrt von der privaten Wohnung zum Kunden und wieder zurück. Geklagt hat ein Aufzugsmonteur, der eine gesonderte Vergütung für die Fahrtwege zum Kunden verlangte. Zwar handele es sich bei Fahrzeiten zu Kunden um Arbeitszeit im rechtlichen Sinn, das bedeutet jedoch nicht, dass die Fahrzeit in jedem Fall vergütet werden muss. Denn entscheidend sind die tariflichen Vorschriften. Im konkreten Fall wurde bereits vertraglich festgelegt, dass in einem bestimmten Umkreis keine Vergütung für die Hin- und Rückfahrt zum Wohnort zu zahlen ist. Grundsätzlich gilt jedoch – vor allem für Dienstleistungsberufe, die im Außendienst tätig sind: Die Fahrzeit zum Kunden ist grundsätzlich vergütungspflichtige Arbeitszeit. Man muss im zweiten Schritt jedoch schauen, ob die vertraglichen Vereinbarungen eine gesonderte Vergütung dahingehend ausschließt.
Man merkt: Die Frage, ob Hin- und Rückfahrt einer Dienstreise automatisch vergütet werden muss, ist schwierig zu beantworten. Bisher war das Arbeitszeitgesetz so geregelt, dass Dienstreisen nur dann Arbeitszeit ist, wenn währenddessen auch gearbeitet wird. Beispiel: Man sitzt im Flieger und bereitet sich auf Anordnung des Chefs auf das anstehende Meeting vor. Oder man nutzt die Zeit im ICE, um an seinem Laptop ein Projekt fertig zu bekommen. Dieses Arbeitszeitgesetz wird durch das BAG-Urteil prinzipiell über den Haufen geworfen. Schließlich wurde entschieden, dass die Reisezeit vergütet werden muss – egal, ob der Arbeitnehmer während der Reise arbeitet oder schläft. Demnach bleibt abzuwarten, wie das Urteil sich auf weitere Arbeitszeitfälle auswirken wird.
An- und Ausziehen der Dienstkleidung gehört zur Arbeitszeit
Auch in diesem Jahr legte das BAG fest: An- und Ausziehen der Dienstkleidung ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Speziell geht es um die Arbeitskleidung, die erst im Betrieb angelegt werden darf – beispielsweise aus hygienischen Gründen. Aber auch Kleidung, die ein Arbeitnehmer im Normalfall nicht in seiner Freizeit tragen würde, ist damit gemeint. Dazu gehören unter anderem auch T-Shirts mit auffälligem Firmenlogo. Warum das BAG so entschieden hat, war der Tatsache geschuldet, dass im konkreten Fall das Tragen der Arbeitskleidung ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers war. Demnach handelt es sich um eine "ausschließlich fremdnützige Tätigkeit des Arbeitgebers" und ist somit vergütungspflichtig.
Rund um das Thema Arbeitsrecht können viele Fragen auftauchen. Kernfrage: Darf mein Arbeitgeber das? Oftmals ist es so, dass Arbeitnehmer gar nicht ihre Rechte kennen. Dabei haben in letzter Zeit auch die höheren Gerichte einige arbeitnehmerfreundliche Urteile gefällt. Sie haben Probleme oder Fragen zu Ihren Arbeitsverhältnis? Dann wenden Sie sich gerne an uns. Falsches Handeln kann oftmals schwerwiegende Folgen haben. Nutzen Sie einfach unsere kostenfreie Erstberatung, um zu klären, ob sich ein Vorgehen gegen den Arbeitgeber lohnt.