Saarländisches Oberlandesgericht (OLG) stärkt Rechte von Kreditnehmer:innen gegenüber Banken – Vertragsinformationen zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend.
- Die Information zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in den seit dem 21. März 2016 bis ca. 2019/2020 von den allermeisten Genossenschaftsbanken verwendeten Vertragsformularen für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge ist unzureichend.
- Der Verweis auf die „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ erweckt einen unzutreffenden Eindruck von der Dauer der Berechnung. Außerdem hätte erkennbar sein müssen, dass vereinbarte Sondertilgungsrechte die Berechnung beeinflussen. Schließlich durfte nicht auf „Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner“ als Wiederanlagerendite abgestellt werden.
- Kreditnehmer mit einer unzureichenden Information in ihrem Vertrag müssen keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen bzw. können eine bereits bezahlte Vorfälligkeitsentschädigung oft zurückfordern.
Berlin, 27.01.2023 – Eine große deutsche Genossenschaftsbank hatte in ihren Vertragsinformationen die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung des Kredits durch den Kreditnehmer nur unzureichend und teilweise sachlich falsch angegeben. Zu diesem Urteil gelangte das OLG des Saarlandes am 26.01.2023 (Az. 4 U 134/21, nicht rechtskräftig) und folgte damit allen Argumentationspunkten von Gansel Rechtsanwälte, die den Kläger vertreten. Die bereits bezahlte Vorfälligkeitsentschädigung muss nun, sollte das Urteil rechtskräftig werden, in voller Höhe nebst Zinsen an den Kläger zurückbezahlt werden und ist als „rechtswidrig erhoben“ zu bewerten. Auf Basis dessen rücken bundesweit viele weitere Genossenschaftsbankverfahren in den Fokus, welche ebenfalls unrechtmäßig erhobene Vorfälligkeitsentschädigungen als Streitpunkt haben.
„Die Informationen aus den Vertragsbedingungen der beklagten Genossenschaftsbank sind nach dem Urteil in explizit 3 Punkten unzureichend und teils sachlich falsch. Wir freuen uns sehr, dass das Saarländische OLG im Sinne des Klägers entschieden hat und unserer Argumentation gefolgt ist. Wenn die Informationen gegenüber Kreditnehmern seitens einer Bank schlichtweg falsch oder eben teils irreführend sind, fehlt die legitime Grundlage, potenziell erlittenen Zinsschaden geltend zu machen. Wir denken, dieses Urteil ist wegweisend für viele weitere zu Unrecht von Genossenschaftsbanken erhobene Vorfälligkeitsentschädigungen.“, so Rechtsanwalt Marko Huth.
Fehlerhafte Angabe zur Wiederanlagerendite
Bereits im Jahr 2000 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Kapitalmarkttitel der öffentlichen Hand nicht zur fiktiven Wiederanlage der vorzeitig bei der Bank eingegangenen Gelder herangezogen werden dürfen, wenn es gleichermaßen sichere aber besser verzinste Alternativen gibt. Diese Alternativen gab es mit Hypothekenpfandbriefen seit nunmehr über 20 Jahren und auch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Sie wurden dann auch tatsächlich in der Berechnung verwendet. Das macht die Informationen im Vertag, die stattdessen Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner als maßgeblich benennt, spiegelbildlich fehlerhaft.
Irreführende Formulierungen für Laien
Das OLG Saarbrücken urteilte zudem auch in der Hinsicht zutreffend, als dass Laien in der Materie, was Immobiliendarlehensnehmer:innen in den allermeisten Fällen sind, aus einigen Formulierungen falsche Schlüsse zur Dauer der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung des Darlehens ziehen würden. Mit der Restlaufzeit bringe man demnach eher die Restlaufzeit des gesamten Darlehens – nach Abzug der bereits verstrichenen Zeit – in Verbindung und nicht, wie es korrekt wäre, nur die Zeit bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin des Kunden. In vielen Fällen macht dieser feine Unterschied mehrere Jahre aus, um die die Vorfälligkeitsentschädigung überhöht wäre, wenn tatsächlich so gerechnet würde. Im hiesigen konkreten Fall waren es ca. 2,5 Jahre.
Fehlende Hinweise in den Informationen können immense Rechenunterschiede verursachen
Der dritte erfolgreiche Argumentationspunkt, den Gansel Rechtsanwälte bei Gericht vorbrachte, betrifft Sondertilgungsrechte bzw. den fehlenden, unseres Erachtens aber notwendigen deutlichen Hinweis darauf, „dass Sondertilgungsrechte bei der Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung künftig fiktiv so zu berücksichtigen sind, als wären sie immer so früh wie möglich ausgeübt worden. Wäre die Vorfälligkeitsentschädigung im konkreten Fall tatsächlich ohne die fiktive Berücksichtigung der Sondertilgungsrechte ermittelt worden, wäre sie über EUR 4.000,00 höher gewesen. Der Information fehlt damit nach unserer Auffassung ein elementar wesentlicher Parameter.“, führt Rechtsanwalt Marko Huth weiter aus.
Aufhebungsvertrag ist Umgehungsgeschäft
Im Verfahren hatte die beklagte Bank ferner vorgebracht, dass die Klage des Kreditnehmers auch deswegen nicht erfolgreich sein könne, da ohnehin ein separater Aufhebungsvertrag geschlossen worden sei. Auch hierzu sprach sich das Gericht zusätzlich aus. Bestehe ein Anspruch des Darlehensnehmers darauf, das Darlehen vorzeitig abzulösen, könne sich die Bank auf eine Vereinbarung, mit der sie eine (wegen unzureichender Angaben zur Berechnung) nicht geschuldete Vorfälligkeitsentschädigung erzwinge, nicht berufen; sie wäre wegen der Umgehung der §§ 500 Abs. 2, 502 BGB unwirksam.
Gansel Rechtsanwälte wird nach diesem Urteil des Saarländischen OLG vom 26.01.2023 prüfen, in wie vielen Fällen gegenüber Genossenschaftsbanken seitens Kreditnehmer:innen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Vorfälligkeitsentschädigungen besteht. Aktuell können aufgrund Verjährungsfristen jedenfalls noch Vorfälligkeitsentschädigungen zurückgefordert werden, die seit Jahresbeginn 2020 gezahlt wurden; in Ausnahmefällen ggf. auch zuvor bezahlte.
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Kolja Leoni
Pressesprecher
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