Kündigung wegen Missachtung von Weisungen
- Das Weisungs- oder Direktionsrecht eines Arbeitgebers berechtigt ihn, dem Arbeitnehmer Anweisungen zu erteilen, denen dieser Folge leisten muss.
- Weigert er sich beharrlich dagegen, droht die verhaltensbedingte und in manchen Fällen sogar die fristlose Kündigung.
- Beschränkt wird dieses Recht jedoch durch die sogenannte Billigkeit: Unbillige Forderungen muss ein Arbeitnehmer nicht ausführen.
- Lesen Sie hier, warum Sie sich trotzdem nicht leichtfertig den Anweisungen Ihres Vorgesetzten widersetzen sollten.
Konflikte am Arbeitsplatz können eine echte Belastung sein. Besonders eine Kündigung bedeutet purer Stress. Wir erklären, warum es sich dabei lohnt, einen Anwalt zu konsultieren und so auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln zu können.
Kündigung wegen Missachtung von Weisungen: Die Grundlagen
Manche Anweisungen des Chefs sollte man lieber hinnehmen, ohne lange zu diskutieren. Denn andernfalls riskiert man die verhaltensbedingte Kündigung. Der Arbeitgeber hat laut § 106 der Gewerbeordnung ein Direktionsrecht, auch Weisungsrecht genannt. Demzufolge kann er dem Arbeitnehmer auf Grundlage des Arbeitsvertrags Anweisungen erteilen und „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen.“
In einem großen Betrieb gibt nicht der eigentliche Arbeitgeber die Anweisungen, sondern der jeweils unmittelbare Vorgesetzte. Kommt der Arbeitnehmer einer Anweisung nicht nach, droht ihm die verhaltensbedingte Kündigung wegen Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten.
Grenzen des Weisungsrechts
Das sogenannte "billige Ermessen" im Sinne des § 315 BGB ist die Beschränkung, die dem Arbeitgeber Grenzen bei seinen Weisungen aufzeigt. Es besagt, dass der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen muss. Er muss also beispielsweise auf die Grundrechte des Arbeitnehmers, wie Religions- oder Meinungsfreiheit achten. Nur Weisungen, die damit vereinbar sind, sind "billig".
"Unbillige" Weisungen sind beispielsweise auch Anordnungen, Aufgaben zu erledigen, die nicht in den eigenen Zuständigkeitsbereich fallen und als unzumutbar angesehen werden können. Hierbei kommt es auf die Definition der Tätigkeiten des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag an. Der Befehl an einen Buchhalter, Fenster zu putzen ist also unbillig, wenn diese Aufgabe nicht in seinem Arbeitsvertrag vorgesehen ist. Aber auch strafbare oder gefährliche Handlungen sind unbillig.
Ob eine Weisung des Arbeitgebers billig ist und vom Arbeitnehmer zu befolgen ist, muss für jeden Einzelfall entschieden werden. Das Bundesarbeitsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema erst kürzlich entscheidend geändert.
Kostenloser Abfindungsrechner
Sie wurden gekündigt oder sollen einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen? Erfahren Sie jetzt in unserem kostenlosen Abfindungsrechner, in welcher Höhe Ihnen eine Abfindung zusteht!
Entscheidende Rechtsprechungsänderung zur Befolgung unbilliger Weisungen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) vertrat bisher in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer solange an die Weisung seines Arbeitgebers gebunden ist, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unwirksamkeit dieser Weisung festgestellt wurde. Lediglich unwirksame Weisungen berechtigten den Arbeitnehmer zur Verweigerung der Arbeitsleistung. Unwirksam sind Weisungen insbesondere dann, wenn diese gegen ein Gesetz verstoßen.
Dafür sind die folgenden Beispiele denkbar:
- Der Arbeitgeber verlangt vom Arbeitnehmer, Überstunden zu leisten, ohne dass die nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt.
- Der Arbeitgeber weist den Arbeitnehmer an, mehr als 10 Stunden täglich zu arbeiten, obwohl dies nach § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) unzulässig ist.
- Der Arbeitgeber verpflichtet den Arbeitnehmer dazu, an einem Samstag zu arbeiten, obwohl die Arbeitsleistung laut Arbeitsvertrag nur montags bis freitags zu erbringen ist.
Die Rechtsprechung hat sich nach einem Beschluss des BAG (14.09.2017, 5 AS 7/17) nun dahingehend geändert, dass auch wirksame, aber unbillige Weisungen nicht mehr bis zu einer gerichtlichen Entscheidung befolgt werden müssen.
Der Beschluss des BAGs ist jedoch nicht unproblematisch. Als Ergebnis trägt nun der Arbeitnehmer das Risiko, abzuschätzen, welche Weisungen zumutbar sind und welche nicht. Diese Entscheidung kann jedoch kontrovers sein und unter Umständen einen mehrmonatigen Gerichtsstreit nach sich ziehen, aus dem am Ende hervorgeht, dass die Weisung doch zumutbar war. In dem Fall riskiert der Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung.
Deshalb empfiehlt es sich, die Weisungen des Arbeitgebers auch in Zukunft nicht leichtfertig in Frage zu stellen. Der Arbeitnehmer sollte weiterhin zunächst eine gerichtliche Klärung anstreben, bevor er sich weigert, einer Weisung Folge zu leisten.
Der Fall aus der Praxis: Das Tragen von Dienstkleidung
Sie kann subjektiv betrachtet noch so unansehnlich sein – wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeitskleidung vorschreibt, muss man sie auch tragen. Wer sich beharrlich weigert, riskiert eine verhaltensbedingte Kündigung. Im konkreten Beispiel (Arbeitsgericht Cottbus, Urteil vom 20.03.2012, 6 CA 1554/11) traf die Geschäftsführung eines Möbelhauses die Entscheidung, für seine Mitarbeiter im Verkauf und an der Information eine einheitliche Dienstkleidung einzuführen. Einen Teil dieser Kleidung wollte der Arbeitgeber stellen und zum Rest eine Zuzahlung in Höhe von 200 € leisten, sodass die Mitarbeiter sie sich selbst kaufen konnten.
Eine Mitarbeiterin wollte von dem neuen Dresscode jedoch nichts wissen. Sie erschien zur Arbeit, ohne die vorgeschriebene Kleidung zu tragen. Auch in der Folge weigerte sie sich hartnäckig und erhielt deshalb zwei Abmahnungen mit dem Hinweis, dass sie mit disziplinarischen Maßnahmen bis hin zur Kündigung zu rechnen habe, sofern sie sich nicht an die Vorgaben halten würde. Da die Mitarbeiterin selbst aus dieser deutlichen Ansage keine Konsequenzen zog und weiterhin nicht die vorgeschriebene Kleidung trug, wurde ihr verhaltensbedingt gekündigt. Dagegen klagte sie vorm Arbeitsgericht Cottbus, weil ihrer Ansicht nach kein arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß vorlag.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht entschied, dass die verhaltensbedingte Kündigung wirksam ist. Seine Entscheidung begründete es damit, dass die Klägerin mit ihrem Verhalten ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Zudem sei wegen ihrer unablässigen Weigerung selbst nach zwei Abmahnungen auch in Zukunft mit ähnlichen Vertragsverletzungen zu rechnen.
Das ArbG machte außerdem deutlich, dass eine beharrliche Weigerung auch zu einer fristlosen Kündigung führen kann. Mit ihrer Weigerung, die Arbeitskleidung zu tragen, widersetzte sich die Klägerin einer Weisung des Arbeitgebers, zu der er laut Weisungsrecht befugt ist. Ein solch beharrliches Widersetzen stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die sogar als Grund für eine fristlose Kündigung gelten kann.
Auch legte das Gericht fest, dass in diesem Fall das Interesse des Arbeitgebers gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers überwiegt. Der Arbeitgeber hat also ein überwiegendes Interesse daran, mit der einheitlichen Kleidung die Erkennbarkeit eines Verkäufers und einen Imagegewinn für das gesamte Unternehmen zu erreichen. Dieses Vorhaben fällt stärker ins Gewicht als das Interesse der Mitarbeiterin daran, sich ihre Kleidung selbst auszusuchen.
Man sollte sich somit gut überlegen, ob man sich der Weisung seines Arbeitgebers widersetzt. Schließlich riskiert man mit einer solchen Arbeitsverweigerung eine Abmahnung bis hin zur Kündigung. Grundsätzlich empfiehlt es sich, vor einer Widersetzung zunächst eine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Weisung herbeizuführen.
Klärung ist besser als Kündigung
Nicht nur eine Kündigung durch den Arbeitgeber, sondern auch durch den Arbeitnehmer ist denkbar. Vielleicht haben Sie es satt, dass Ihr Chef Ihnen ständig Aufgaben zuteilt, die nicht in Ihr Aufgabengebiet fallen? Bevor Sie sich strikt weigern oder deswegen kündigen, sollten Sie versuchen, mit Ihrem Vorgesetzten zu sprechen. Sehen Sie in Ihrem Arbeitsvertrag nach, welche Aufgaben er Ihnen übertragen kann und welche nicht. Falls noch vorhanden, kann auch die Stellenbeschreibung aufschlussreich sein. Vielleicht lässt sich ein Kompromiss finden und eine Klärung ist näher als Sie denken.
Beitrag geprüft von
Rechtsanwalt Philipp Caba**
Philipp Caba ist ein erfahrener Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf Zivil-, Bank- und Versicherungsrecht. Er studierte in Deutschland und Schweden und ist seit 2020 Vorstand der Gansel Rechtsanwälte Rechtsanwalts AG.
* Angestellte Anwälte, ** Vorstand, *** Freischaffende Rechtsanwälte