Diskriminierung wegen Schwangerschaft: So wehren Sie sich
- Dass wir nun schon seit einer Weile im 21. Jahrhundert angekommen sind, bedeutet leider nicht, dass eine Schwangerschaft keinen Grund zur Diskriminierung am Arbeitsplatz darstellt.
- Diskriminierung wegen des Geschlechts, und damit auch wegen einer Schwangerschaft, wird jedoch im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verboten.
- Verstößt ein Arbeitgeber dagegen, sollten Betroffene sich wehren.
- Hier erfahren Sie, welche Rechte und Ansprüche Sie als Schwangere bei Diskriminierung haben, und wie Sie mit unserer Hilfe dagegen vorgehen können.
Schutz vor Diskriminierung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
2006 wurde in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, verabschiedet. Es verbietet Arbeitgebern jegliche sachgrundlose mittelbare und unmittelbare Benachteiligung, die aufgrund von Merkmalen wie etwa Behinderung, ethnischer Herkunft, Religion, Alter oder Geschlecht geschieht. Das Gesetz und der damit verbundene Schutz vor Diskriminierung gilt für alle Bereiche des Arbeitslebens. Es reicht von der Bewerbung über die Einstellung, die Beförderung, die Arbeitsbedingungen (z.B. Höhe des Einkommens, Urlaub, Arbeitszeit) bis zur Kündigung und betrieblichen Altersvorsorge. Das AGG bestimmt zum einen Regeln und Vorschriften, an die sich Arbeitgeber halten müssen, und zum anderen die Rechte der Beschäftigten.
Dem AGG zufolge liegt:
"Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts […] auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor."
Das bedeutet, dass das AGG auch die Diskriminierung Schwangerer am Arbeitsplatz als Benachteiligung wegen des Geschlechts verbietet. Diese Form der Diskriminierung ist am Arbeitsplatz weit verbreitet. Aus dem Bericht zu Diskriminierung in Deutschland der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergibt sich, dass im Berichtszeitraum von 2013 bis 2016 am häufigsten Anfragen bezüglich Diskriminierungserfahrungen aufgrund des Geschlechts gestellt wurden:
Welche Formen der Diskriminierung wegen Schwangerschaft gibt es?
Die Diskriminierung einer Schwangeren am Arbeitsplatz kann auf ganz unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Wenn sich eine Arbeitnehmerin diskriminiert fühlt und sich deshalb zur Klage entscheidet, muss sie dem Arbeitsgericht Anhaltspunkte dafür vorlegen. Anschließend ist der Arbeitgeber laut § 22 AGG in der Pflicht, zu beweisen, dass keine Benachteiligung bestanden hat. Im Folgenden nennen wir Ihnen häufige Beispiele für Diskriminierung aufgrund einer Schwangerschaft.
Diskriminierung wegen Schwangerschaft: Abgelehnte Bewerbung
Häufig muss noch nicht einmal eine Schwangerschaft bestehen. Viele junge Frauen werden allein wegen der Aussicht, dass sie bald schwanger werden könnten, bei der Bewerbung abgelehnt. Für die Bewerberin ist es jedoch meist schwierig, Tatsachen vorzulegen, die vermuten lassen, dass sie aufgrund ihres Geschlechts nicht eingestellt wurde. Ein Indiz ist, wenn Arbeitgeber in einer Stellenanzeige ausschließlich nach Männern suchen. In den meisten Fällen wissen Personaler jedoch, wie sie heikle Formulierungen in der Ausschreibung vermeiden können und es wird erst intern ausgesiebt.
Um trotzdem eine Diskriminierung nachzuweisen, kann die Bewerberin versuchen, zu dokumentieren, warum sie dem Stellenprofil am besten entspricht – beispielsweise, weil sie mehr Berufserfahrung, bessere Referenzen oder andere wichtige Qualifikationen besitzt. Auch dann kann der Arbeitgeber jedoch noch andere Gründe wie etwa mangelnde Sympathie für die Ablehnung anführen.
Frage nach Schwangerschaft im Vorstellungsgespräch nicht zulässig
Ein Arbeitgeber darf eine Bewerberin im Vorstellungsgespräch nicht nach einer Schwangerschaft oder ihrer Familienplanung fragen. Hält er sich nicht daran, darf die Frau wider besseren Wissens lügen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits im Jahr 2003 entschieden (Urteil vom 06. Februar 2003, 2 AZR 621/01). Allenfalls bei sehr kurzen befristeten Stellen kann die Nachfrage nach der Rechtsprechung des BAG zulässig sein. Anders sieht dies jedoch der Europäische Gerichtshof, welcher auch in diesen Fällen ein Fragerecht ablehnt.
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 11. Februar 2012, 6 Sa 641/12) entschied zudem, dass eine schwangere Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft nicht offenlegen muss, bevor sie einen Arbeitsvertrag unterschreibt. Damit Sie und Ihr ungeborenes Kind angemessen geschützt werden können, sollten Sie Ihren Arbeitgeber allerdings trotzdem möglichst bald über Ihre Schwangerschaft informieren. Denn das Mutterschutzgesetz entfaltet nur dann Wirkung, wenn der Arbeitgeber über die Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt wurde.
Schwangerschaft steht einer Beförderung im Weg
Zur Diskriminierung wegen Schwangerschaft kann es auch in Bezug auf Beförderungen kommen. So auch im folgenden Fall: Eine Arbeitnehmerin war bei einem großen Elektronikkonzern als Abteilungsleitern beschäftigt. Als 2005 die Stelle des Vorgesetzten frei wurde, bewarb sie sich darauf. Die Arbeitgeberin besetzte die Stelle jedoch mit einem Mann und nicht mit der Klägerin, die damals schwanger war. Daraufhin forderte diese eine Entschädigung aufgrund von Benachteiligung wegen ihres Geschlechts und gab an, dass sie die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten habe. Die Arbeitgeberin gab hingegen an, die Auswahl sei aus sachlichen Gründen getroffen worden.
Dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 28. Juni 2011, 3 Sa 917/11) zufolge sprach die Würdigung aller Umstände jedoch für eine Vermutung, dass die Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft nicht befördert worden sei. Darauf deute unter anderem die Äußerung hin, die Klägerin "solle sich doch auf ihr Kind freuen“, mit der ihre Ablehnung kommentiert worden war. Hinzu kam, dass ihr keine konkreten Gründe für die Beförderung eines Kollegen genannt wurden, obwohl ihrer Bewerbung zuvor Chancen eingeräumt worden waren. Deshalb ging das Gericht von einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung aus und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts, die Arbeitgeberin zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen.
Kündigung einer Schwangeren = Diskriminierung laut AGG?
Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) soll die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung sowie in der Stillzeit schützen. Dazu gehört auch, dass es Benachteiligungen entgegenwirkt, die damit zusammenhängen können. Dabei ist zum Beispiel der Kündigungsschutz wichtig, der besagt, dass einer Frau während ihrer Schwangerschaft grundsätzlich nicht gekündigt werden kann (§ 17 MuSchG). Dieser Kündigungsschutz gilt selbst während der Probezeit. De facto verkürzt eine Schwangerschaft somit die Probezeit. Ausnahme: Der Arbeitgeber hat zuvor die Erlaubnis für die Kündigung bei der obersten Landesbehörde eingeholt.
Missachtet der Arbeitgeber das Gesetz, indem er seiner Beschäftigten ohne Erlaubnis kündigt, so liegt allein darin noch keine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Kommen jedoch weitere diskriminierende Verhaltensweisen des Arbeitgebers hinzu, indem er beispielsweise ein zuvor attestiertes Beschäftigungsverbot nicht beachtet, kann auch in der Kündigung eine Diskriminierung bestehen. Dann hat die betroffene Arbeitnehmerin Anspruch auf Entschädigung laut AGG.
Schlechtere Bedingungen nach Rückkehr aus dem Mutterschutz
Eine Schwangerschaft kann auch bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach dem Mutterschutz noch zu Diskriminierungen führen. Denkbar ist beispielsweise, dass der Arbeitgeber die Stelle in der Zwischenzeit mit einem anderen Mitarbeiter besetzt und die Rückkehrerin aus dem Mutterschutz in einer nicht gleichwertigen Position eingesetzt werden soll. In einem solchen Fall entschied beispielsweise das Arbeitsgericht Wiesbaden (Urteil vom 18. Dezember 2008, 5 Ca 46/08), dass darin eine Benachteiligung aufgrund der Mutterschaft und somit wegen des Geschlechts liegt.
Welche Rechte und Ansprüche haben Schwangere bei Diskriminierung am Arbeitsplatz?
Dem Antidiskriminierungsgesetz zufolge stellen alle Formen von Diskriminierung eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Diejenigen, die sich benachteiligt fühlen, räumt es verschiedene Rechte ein. Unter anderem davon erfasst sind das Beschwerderecht, das Recht auf Leistungsverweigerung oder ein Recht auf Entschädigung sowie Schadensersatz.
Was ist das Beschwerderecht?
Beschwerderecht
§ 13 AGG sieht ein Beschwerderecht für Betroffene vor. Mit einer Beschwerde kann man sich entweder an die Beschwerdestelle im Betrieb wenden oder, falls eine solche nicht existiert, an alle anderen Anlaufstellen oder die Personalabteilung. Die Beschwerde muss dann geprüft werden. Kommt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass keine Diskriminierung vorlag, kann die betroffene Person trotzdem noch klagen.
Habe ich auch ein Recht auf Leistungsverweigerung?
Recht auf Leistungsverweigerung
Wenn sich Schwangere am Arbeitsplatz belästigt fühlen und der Arbeitgeber nichts dagegen unternimmt, besteht laut § 14 AGG zudem ein Recht auf Leistungsverweigerung. Man sollte jedoch nicht leichtfertig die Arbeit niederlegen: Das Recht auf Leistungsverweigerung gilt nur, wenn diese zum Schutz der Arbeitnehmerin erforderlich ist. Zudem reicht allein eine gefühlte Diskriminierung nicht aus und die Gefahr besteht, dass die Betroffene die Voraussetzungen dafür falsch einschätzt.
Kann ich vielleicht sogar Entschädigung oder Schadensersatz verlangen?
Recht auf Entschädigung und Schadensersatz
Verstößt der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot, so ist er laut § 15 Abs. 1 AGG dazu verpflichtet, in Form von Schadensersatz den hierdurch entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen. Jedoch sieht das Gesetz Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber nur dann vor, wenn dieser die Benachteiligung verschuldet hat, das heißt, wenn er selbst diskriminiert oder Diskriminierungen durch Vorgesetzte erfolgen. Das Gesetz gewährt außerdem Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber, wenn Diskriminierungen durch Kollegen und Dritte erfolgen, deren Verhalten er sich zurechnen lassen muss und wenn der Arbeitgeber nichts dagegen unternimmt.
Bei einer Benachteiligung wegen eines diskriminierenden Merkmals muss der Arbeitgeber laut § 15 Abs. 2 AGG außerdem den immateriellen Schaden ersetzen. Die Entschädigung muss unabhängig davon erfolgen, ob die Benachteiligung durch ihn selbst oder seine "Erfüllungsgehilfen" verschuldet wurde, oder nicht. Das Gesetz spricht hier von einer "angemessenen Entschädigung", also einer Art "Schmerzensgeld". Was genau unter angemessen zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber jedoch nicht geregelt. Bei der Bemessung des Entschädigungsanspruchs kann das Arbeitsgericht Gesichtspunkte wie beispielsweise die Art und Schwere der Benachteiligung, den Anlass und Beweggrund des Handelns oder das Vorliegen eines Wiederholungsfalles berücksichtigen.
Wer einen Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung geltend machen möchte, muss dies innerhalb einer Frist von zwei Monaten tun.
Diskriminierung wegen Schwangerschaft: Wie sollten Sie sich verhalten?
Wenn Sie das Gefühl haben, aufgrund Ihrer Schwangerschaft oder auch Mutterschaft am Arbeitsplatz benachteiligt zu werden, sollten Sie zunächst das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten suchen und ihn damit konfrontieren. Falls Sie damit nicht erfolgreich sind, sollten Sie von Ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen und sich an ein Mitarbeitergremium, wie beispielsweise den Betriebsrat oder eine Beschwerdestelle in Ihrem Betrieb wenden.
Wenn sich im Anschluss immer noch nichts ändert, können Sie klagen. Dann müssen Sie jedoch Tatsachen vorbringen können, die eine Diskriminierung vermuten lassen. Das können zum Beispiel die Aussage eines Zeugen oder schriftliche Notizen sein. Wenn Sie sich entschließen, rechtliche Schritte einzuleiten, unterstützen Sie unsere auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwälte gern. Besonders wenn Ihnen während Ihrer Schwangerschaft gekündigt wurde und Sie sich dadurch diskriminiert fühlen, sollten Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte nicht lange zögern. Denn nachdem Sie die Kündigung erhalten haben, haben Sie maximal drei Wochen Zeit, um Kündigungsschutzklage zu erheben.
Beitrag geprüft von
Rechtsanwalt Philipp Caba**
Philipp Caba ist ein erfahrener Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf Zivil-, Bank- und Versicherungsrecht. Er studierte in Deutschland und Schweden und ist seit 2020 Vorstand der Gansel Rechtsanwälte Rechtsanwalts AG.
* Angestellte Anwälte, ** Vorstand, *** Freischaffende Rechtsanwälte